Zwei Wunschkinder auf ihrer Wunschinsel – das sind die eng miteinander verbundenen Zwillinge Manfred und Jürgen Charchulla. Begeisterte Surfer einer wie der andere. Die Brüder sind um die halbe Welt gefahren, um am Ende einen Ort zum Glücklichsein zu fi nden: die Sonneninsel Fehmarn mit ihren idealen Windverhältnissen. Nicht Hawaii sondern der Norden Deutschlands hat es ihnen angetan. Wer hätte das ahnen können, als die Charchullas 1939 in Wittenberge zur Welt kamen, später mit ihrer Familie ausgebombt wurden und nach Springe am Deister auswichen? Weil der Vater, ein Vermessungstechniker, dort einen Job bekam, ging es nach dem Krieg weiter nach Verden an der Aller. Anfangs begannen beide ihre Schulkarriere in derselben Grundschulklasse. „Aber der Pauker war der Meinung, dass wir zusammen zu viel Unsinn machten“, erinnert sich Manfred Charchulla, „deshalb wurde einer von uns in die Parallelklasse gesteckt. Sowas ging damals ganz schnell und ohne groß die Eltern zu fragen über die Bühne“. Was die Pädagogen nicht ahnten: Die Jungs haben regelmäßig die Klassen getauscht, wie sie Lust hatten. „Das haben wir gar nicht groß besprochen“, ergänzt Jürgen Charchulla, „das Leben kam mit seinen Möglichkeiten einfach auf uns zu“. Sie waren Brüder, beste Freunde und auch Indianer. Das sei damals ihr liebstes Spiel gewesen. Im Alter von 14 Jahren begann das nächste Abenteuer. Die Zwillinge heuerten bei einer Reederei an und fuhren 15 Jahre lang zur See. „Das war meine Idee“, betont Jürgen Charchulla. Ursprünglich hatten sie Maurer oder Elektriker werden sollen. Nachdem sie den Roman „Die Schatzinsel“ gelesen hatten, änderten sie ihre Pläne und „gingen in Bremen mal zum Hafen runter, so’n Dampfer anzugucken, heute würde man sagen, um zu gucken, was geht“. Da lag ein Schulschiff mit drei Masten, das beide magisch angezogen hat. „Ich konnte meinen Bruder ja schlecht allein ziehen lassen“, erinnert sich Manfred. „Nachher wird er an Bord verdroschen und ich bin nicht dabei.“ Auf dem Schulschiff haben sie gemeinsam die vierjährige Ausbildung vom Moses in der Kombüse bis zum Matrosen an Deck durchlaufen, das bunte Leben in den Häfen genossen und die Wellenreiter am Strand von Punta Arens in Mexico oder Sydney in Australien beobachtet. Mit ihrer Liebe zur See haben sie eine ganze Generation geprägt, als sie wieder an Land waren. Spannend wurde es, als sie 1972 hörten, jemand habe auf Sylt erstmals in Die Surftwins mit ihrer Mutter Else Charchulla Deutschland ein Surfbrett gebaut. Ein Versuch, so ein Brett in Eigenregie nachzubauen, schlug leider fehl. Als Calle Schmidt, der auf Sylt eine Segelschule betrieb, Surfbretter aus Kalifornien importierte, war der Moment gekommen: Die Charchullas mit den langen Bärten stiegen in den Vertrieb ein und entwickelten als Surf-Twins eine echte Leidenschaft für das Surfen. 1975 surften sie auf einem Surfbrett in einem waghalsigen Mannöver als Erste durch den Ärmelkanal – einer der meist befahrensten Wasserstraßen Europas. Zwei Jahre später wagten sie sich auf einem Windsurf-Tandem auf die 122 Kilometer lange Strecke zwischen Hanstholm an der Nordspitze Jütlands und Mandal in Südnorwegen. Nach 14 Stunden glückte auch diese Überfahrt. Der nächste Schritt war die Gründung einer Surfschule auf Fehmarn. Heute betreiben die Zwillinge zwei Surfschulen: Manfred in Burgtiefe am Südstrand und Jürgen auf dem Campingplatz Strukkamphuk. Wassersportler können dort Windsurfen, Segeln, SUP, Wingsurfen und Kiten. Was sie aneinander bewundern? „Jürgen weiß bei einem Wust an Kabeln immer, welches das richtige ist. Ist mir ein Rätsel, wie er das macht“, bewundert Manfred seinen Bruder. Der wiederum freut sich über das künstlerische Maltalent des anderen, mit dem der die Wände der Surfschule als berauschende Südseelandschaft gestaltet hat. Wassersport und Musik sind bis heute ihre gemeinsame Leidenschaft geblieben. Und weil es ihnen im Winter im Norden zu frisch ist, weichen die Zwillinge im Spätherbst nach Mittelamerika aus, wo sie inzwischen ein Haus gebaut haben, zu dem auch eine Ranch mit Pferden gehört. Sind die beiden Seebären, die bereits mehrere Bands gemeinsam gründeten, immer einer Meinung? Meistens ja, beteuern beide. Es sei denn einer gibt beim Musikmachen einen falschen Ton an, also z.B. „G-ustav“ wenn es eigentlich in „D-ora“ gespielt wird. Da könne schon mal Streit entstehen. Besonders, wenn der 15 Minuten ältere Manfred gegenüber dem ruhigeren Jürgen den Chef rauskehren wolle. Kleine Meinungsverschiedenheiten, die niemals lange anhalten. Beide ziehen Erbsensuppe oder Bauernfrühstück dem Hummer vor, denn der habe, so Manfred Charchulla „einfach zu viele Füße“. 46